SEBASTIAN WISWEDEL
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Abfall und Architektur  
     

Beirut

Zwei zerstörte Häuser in Beirut. Nicht ganz zerstört, noch als Gebäude erkennbar. Ihre Struktur ist noch lesbar, aber welchem Zweck und für wen sie gedient haben mochten ist nicht mehr zu entziffern, allerhöchstens zu erraten. Beide waren vielleicht in ihrer unversehrten Gestalt völlig verschiedenartige Gebäude, die jeder sofort als solche identifiziert hätte. Die speziellen Zerstörungen des jahrelangen Strassenkampfes, die die Oberflächen abschabt, aber die Struktur bestehenlässt (etwa im Gegensatz zu der Methode der Flächenbombardements und der Verwüstungen im zweiten Weltkrieg).

Es fehlen jetzt Werbungen, Beschilderungen, Fassaden- verkleidungen und -Schmuck, all die Dinge die zur Verständlichkeit und Einordnung eines Gebäudes nützlich sind. Dies sind Informationen, die uns sagen welcher Art und welcher Bedeutung das Gebäude ist, und wie es zu gebrauchen und zu benutzen ist. Diese Informationen wurden nach und nach hinzugefügt, vom Bauunternehmer, vom Besitzer, von der Stadt. Und nicht nur einfach zusammengefügt sondern auch sinnvoll, d. h. für uns lesbar, geordnet. Ein Berg erstarrter Beton (mit Stahl durchsetzt) hat weniger Bedeutung (und Komplexität) und Implikationen für uns als dieselbe Menge gebaut als, sagen wir, Hauptverwaltung einer Bank.

Es gehen also mit der Zerstörung Informationen verloren. Unerschiede verwischen, Gebäude beginnen sich zu gleichen. Die Gebäude wurden entwertet, nicht nur materiell, sondern vor allem in dem Gehalt oder Bedeutung die sie für uns als kulturelle Gemeinschaft besassen. Diese Häuser in Beirut sind noch mitten im Prozess ihrer Entwertung, die Zerstörung hat noch nicht den maximalen Punkt eines reinen Schutthaufens erreicht. Sie sind sogar noch funktional brauchbar, z.Bsp. als Maschinengewehrposten. Aber dies ist nicht ihre ursprüngliche Bedeutung. Mit der Zerstörung der Form werden auch die Inhalte veränderlich (Æ 47).

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